Mikrofonie
Kabel aus hochleitendem Kupfer
Laufzeitkorrektur zwischen Hoch- und
Tieftonbereich
eine persönliche Erfahrung
Schlussfolgerung
Eine Armbanduhr von Lange&Söhne kann teurer sein als ein Einfamilienhaus. Das ist der Preis für aufwendigste Handarbeit und technische Präzision die in der Welt der Uhren ihresgleichen sucht. Was dabei herauskommt ist ein hochexclusives Männerschmuckstück. Der Hersteller wird aber an keiner Stelle behaupten, dass sein mechanisches Meisterstück die Zeit viel genauer misst als eine Casio-Quarz-Armbanduhr. Darum geht es bei so einer Uhr nicht.
Auch für eine gute Audioanlage kann man viel Geld bezahlen.
Auch
hier werden aufwändige, handwerklich perfekte Lösungen
gefunden, die
der Kunde am Ende auch bezahlen muss. Was er dafür
erhält
sind wahre Schmuckstücke. Allerdings behaupten die Hersteller,
dass
die aufwendigen, technischen Details alle einen sehr positiven
Einfluss
auf den Klang haben. Das müssen sie natürlich irgendwie
begründen.
Einige dieser Begründungen möchte ich einmal etwas genauer
unter
die Lupe nehmen.
Allen Argumenten der Audio-Esoteriker ist gemeinsam, dass die
behaupteten Effekte (z.B. Klangbeeinflussungen) mit real existierenden
Effekten begründet werden. In der Realität sind diese Effekte
aber viel zu klein, um sich auf den Klang auswirken zu können. Das
wird aber ignoriert. Ich möchte das einmal mit einem Beispiel aus
dem täglichen Leben illustrieren:
Behauptung:
Die vom Lautsprecher abgestrahlten Schallwellen führen zu
Vibrationen
an elektrischen Bauteilen der HiFi-Anlage. Die Bauteile wirken
daraufhin
wie Mikrofone und speisen das Signal in den Verstärker ein.
Dadurch
entstehen Signalverfälschungen.
Die Lösung sind z.B.:
Heutzutage verstaubt der Plattenspieler und röhrenbetriebene Vorverstärker gibt es schon lange nicht mehr. Aber natürlich entdecken listige Zubehörhersteller eifrig neue Mikrofonie-Quellen. Die einzig realen sind wohl Elektrolytkondensatoren. Werden sie Vibrationen ausgesetzt, dann "schwabbeln" in ihrem feuchten Innern die Lagen des Wickelpaketes, und dadurch schwankt die Kapazität ein wenig im Rhythmus der Vibration. Da sich die Ladung des ELKOS nicht ändert, ändert sich konsequenter Weise die Spannung zwischen seinen Polen. (U=Q/C) Der Effekt ist natürlich viel kleiner als beim alten Plattenspieler. Nachweisen lässt er sich z.B., indem man mit einem harten Werkzeug auf den Eingangs-ELKO eines empfindlichen Mikrofonvorverstärkers klopft.
Das ist natürlich kein reales Szenario. Im Bereich normaler
Signalpegel
ist der Mikrofonie-Effekt eines ELKOs kleiner als das Rauschen im
System.
Wer keinen Plattenspieler mehr verwendet, braucht sich um Mikrofonie
keine
Gedanken mehr zu machen.
Kabel aus hochleitendem Kupfer
Was ist denn hochleitendes Kupfer? Außer den tollen als
Warenzeichen
eingetragenen Markennamen der Spezial-Kupfer erfährt man nicht
viel.
Es soll besonders rein sein. Sehen wir uns mal einige Leitwerte an.
Tatsächlich
leitet reines Kupfer etwas besser als das Kupfer, das für
Leitungen
normalerweise verwendet wird. (Leitungskupfer enthält bestimmte
Beimischungen,
um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern.) Der Unterschied ist
aber
verschwindend gering. Ein Reinkupferkabel hat einen um 3% geringeren
Widerstand
als ein normales Kabel. Den gleichen Effekt hätte es, wenn man ein
normales Kabel einfach 1,7% dicker macht, aber diese Werte liegen wohl
ohnehin innerhalb der Fertigungstoleranzen..
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(so klein wie möglich) |
(so groß wie möglich) |
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Nun spielt der Kabelwiderstand allerhöchstens bei Lautsprecherkabeln
eine Rolle, und auch dort wird er in seiner Bedeutung weit
überschätzt.
Laufzeitkorrektur zwischen Hoch- und Tieftonbereich
1. Behauptung:
Kabelhersteller behaupten, dass hohe
Frequenzen
schneller durch das Kabel laufen als niedrigere Frequenzen. Das
muss
wieder ausgeglichen werden, damit z.B. am Lautsprecher alle Signale
gleichzeitig
ankommen. Deshalb gibt es z.B. Lautsprecherkabel mit Laufzeitkorrektur.
Angenommen die Geschwindigkeit von Signalen im Kabel ist wirklich frequenzabhängig, und es stimme auch, dass höhere Frequenzen schneller sind. Die Geschwindigkeit eine elektrischen Signals im Kabel beträgt etwa 200000 km/s, das sind etwa 720 Millionen km/h. Ein 5 Meter langes Lautsprecherkabel durchläuft so ein elektrisches Signal in etwa 25 ns (0,000000025 Sekunden). Das sind 0,05% der Periode eines 20 kHz-Tones.
Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen
Frequenzen
können nur marginal sein, aber selbst wenn tiefe Frequenzen nur
halb
so schnell wie hohe Frequenzen laufen würden, entstünde
daraus
ein Phasenversatz von nur 0,09°. Das wäre gar nichts, und in
der
Realität sind die Unterschiede noch weitaus kleiner.
Auf einer Audio-CD erfolgt die Aufzeichnung mit einer zeitlichen
Auflösung
von 22675 ns. Um Verschiebungen von wenigen Nanosekunden braucht man
sich
da offensichtlich keine Gedanken mehr zu machen.
Im Übrigen muss der Ton dann noch ein paar Meter durch die
Luft zum Ohr "fliegen". In der Luft sind hohe Töne wirklich
schneller.
Da man aber keine "laufzeitkorrigierende Spezialluft" verkaufen kann,
interessiert
das offensichtlich niemanden.
2. Behauptung:
Für die Laufzeitkorrektur kann man den Skin-Effekt benutzen,
da tiefe Frequenzen in der Drahtmitte und hohe Frequenzen auf der
Drahtoberfläche
laufen. Durch Strukturierung der Oberfläche (z.B. durch Umwickeln
mit einem Kupferstreifen) macht man den Weg dort für die hohen
Frequenzen
etwas länger.
Den Skin-Effekt gibt es natürlich wirklich.
Wechselströme
(z.B. Musik im Kabel) erzeugen im Draht magnetische Felder, die die
Elektronen
aus der Drahtmitte heraus an die Oberfläche drücken. Dieser
Effekt
wächst mit der Frequenz. Das bedeutet zunächst einmal, dass die tiefen Frequenzen sowohl im Inneren der Drahtes wie auch auf seiner Oberfläche laufen. Sie würden durch so einen Spezialdraht also schnell (im Kern) wie auch verzögert (entlang den Riffeln auf der Oberfläche) zum Ziel kommen. Sie würden "verschmiert" werden. Und die hohen Frequenzen? Die Eindringtiefe eines 10 kHz-Signals (10000 Hz) in Kupfer beträgt noch etwa 1 mm. Da die Kabel im Audiobereich aus dünnen Drähten bzw. Litzen bestehen, und die Frequenzen nur 20 kHz erreichen, tritt der Skin-Effekt hier praktisch nicht auf. (erst bei Leiterquerschnitten über 3 mm2.) Die Grafik zeigt die Wirkung des Skineffektes (die sich als frequenzabhängige Widerstandsänderung bemerkbar macht) für verschiedene Drahtdicken. Der Effekt wirkt um so stärker, je dicker der Draht ist. Bei einem 1 mm dicken Draht beginnt der Skineffekt erst ab 20 kHz zu wirken. In dünneren Drähten wirkt der Skineffekt erst bei Frequenzen jenseits 100 kHz. |
Beobachtung:
Nachdem ich zu meine Stereoanlage um einen
Sourroundprozessor mit zusätzlichen Verstärkerkanälen
sowie
Center- und Rear-Lautsprechern erweitert hatte, konnte ich
plötzlich
die Sängerin bei Stereo-Liveaufnahmen viel präziser
lokalisieren.
Während ihre Stimme vorher von irgendwo aus der diffusen
Bühnenmitte
kam, war sie nun exakt in der Mitte "festgenagelt". Das funktionierte
übrigens
bei abgeschaltetem
Sourroundprozessor. Center- und Rear-Lautsprecher waren
also ebenfalls aus.
Wie kann es sein, dass Geräte, die gar nicht in Betrieb sind,
den
Klang verändern, in diesem Fall die räumliche Ortung
verbessern?
Als Ursache fand ich dann den Centerspeaker. Er stand mit abgenommener
Verkleidung auf dem TV. Durch seine gelben Keflarmembranen war er nicht
zu übersehen, auch nicht für mein Unterbewusstsein.
Meine
Ohren hören den Klang der Sängerinnenstimme und orten sie
akustisch
irgendwo in der Bühnenmitte. Meine Augen sehen dort einen
Lautsprecher.
Mein Hirn hat die Erfahrung gemacht, dass Laute oft von Lautsprechern
kommen
und korreliert den etwa mittigen Klang mit der mittigen Position des
(ausgeschalteten)
Lautsprechers. Es liefert die Information: der Klang kommt genau aus
dieser
Richtung. Ich bin mir dessen natürlich nicht bewusst, und
staune
darüber, dass die Sängerin exakt aus der Bühnenmitte
singt.
Ein zu Besuch kommender Bekannter staunte ebenfalls über die gute
Ortbarkeit (ohne dass ich ihn vorher darauf ansprach). Ich stellte
einfach den
ohnehin abgeschalteten Center-Lautsprecher weg, und schon war wieder
alles
beim alten (diffuseren).
Wenn einem das Unterbewusstsein solche Scherze spielt, ist jeder
Hörtest
100% subjektiv. Aus diesem Grunde akzeptiere ich in der Audio-Welt nur
noch Messwerte und Blindtests.
Bei der Anschaffung guter HiFi-Komponenten geht es nicht immer
(oder eigentlich niemals) rational zu. Eigentlich braucht man nicht
unbedingt genau diesen
besonderen Verstärker und jenen speziellen Lautsprecher. Bei
sachlicher Betrachtung würden es auch deutlich preiswertere
Komponenten tun. Das gilt aber auch für den Echtholzschrank im
Wohnzimmer, das Werks-Navi im neuen Auto oder für 80% der
verkauften Handtaschen und Frauenschuhe. Letztendlich geht es doch vor
allem um die Freude am Besitz eines tollen Stücks Technik
und je
länger die Prozedur der Auswahl war, umso befriedigender ist es
letztendlich, Musik aud den neuen Komponenten zu genießen. Was
spricht dagegen, sein Geld so auszugeben, dass man dabei auch
Befriedigung empfindet, solange man dieses Geld wirklich dafür
erübrigen kann?
Auch die Preise im Hig-End-Bereich sind betriebswirtschaftlich
durchaus gerechtfertigt. Lautsprecherkabel für 200 Euro/m wird nur
in geringen Mengen hergestellt. Die dafür angefertigten Maschinen
müssen sich ja auch amortisieren. Wenn man dann schon 10.000 Euro
in die HiFi-Komponenten und 5.000 Euro in die Lautsprecher investiert
hat, dann sehen die Baumarktstrippen dazwischen nicht stilecht aus.
High-End-Kabel werden aber den Klang nicht nennenswert verbessern,
sondern dienen lediglich als adäquate Schmuckstücke.
Ich habe kein Problem damit, wenn jemand sich hochwertige
HiFi-Handwerksarbeiten kauft, weil er das Geld dafür übrig
hat. Eine tolle HiFi-Kette im Wohnzimmer ist genauso ein
Schmuckstück wie eine Armbanduhr von Lange&Söhne. Der
Klang der High-End-Kette entspricht aber nicht annähernd ihrem
Preisniveau. Das gilt genauso für den Echtholzschrank (der
Ikea-Schrank fasst genausoviele Bücher, ist aber pflegeleichter),
das Werks-Navi im Auto (100-Euro Saugnapf-Navis haben oft modernere
Software) und die neuen Schuhe der Ehefrau/Freundin (eigentlich waren
die alten Schuhe viel bequemer).
Wirklich sauer werde ich nur dann, wenn jemand anfängt Geld
für High-End-Auszugeben, der dieses Geld eigentlich für seine
Familie benötigen würde. Das ist die negative Folge der
falschen Werbeversprechen, die den angeblich besonderen Klang der
Komponenten herausstellen, und nicht ihren Wert als
männerkompatibles "Schmuckstück".