Audio - Esoterik

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Einleitung

Mikrofonie
Kabel aus hochleitendem Kupfer
Laufzeitkorrektur zwischen Hoch- und Tieftonbereich
eine persönliche Erfahrung
Schlussfolgerung

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Einleitung

Eine Armbanduhr von Lange&Söhne kann teurer sein als ein Einfamilienhaus. Das ist der Preis für aufwendigste Handarbeit und technische Präzision die in der Welt der Uhren ihresgleichen sucht. Was dabei herauskommt ist ein hochexclusives Männerschmuckstück. Der Hersteller wird aber an keiner Stelle behaupten, dass sein mechanisches Meisterstück die Zeit viel genauer misst als eine Casio-Quarz-Armbanduhr. Darum geht es bei so einer Uhr nicht.

Auch für eine gute Audioanlage kann man viel Geld bezahlen. Auch hier werden aufwändige, handwerklich perfekte Lösungen gefunden, die der Kunde am Ende auch bezahlen muss. Was er dafür erhält sind wahre Schmuckstücke. Allerdings behaupten die Hersteller, dass die aufwendigen, technischen Details alle einen sehr positiven Einfluss auf den Klang haben. Das müssen sie natürlich irgendwie begründen. Einige dieser Begründungen möchte ich einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen.

 

Allen Argumenten der Audio-Esoteriker ist gemeinsam, dass die behaupteten Effekte (z.B. Klangbeeinflussungen) mit real existierenden Effekten begründet werden. In der Realität sind diese Effekte aber viel zu klein, um sich auf den Klang auswirken zu können. Das wird aber ignoriert. Ich möchte das einmal mit einem Beispiel aus dem täglichen Leben illustrieren:

Behauptung:
Man kann an der Fleischtheke preiswerter einkaufen, wenn gerade ein Flugzeug über den Supermarkt/das Fleischfachgeschäft fliegt. Die gegenseitige gravitative Anziehung des Fleisches auf der Waage und des Flugzeugs über der Waage führt zu einem verringertem Gewicht des Fleisches, obwohl seine Masse unverändert ist. Die Waage im Geschäft misst aber das Gewicht. Folglich zeigt die Waage weniger an, und man muss für das Fleisch weniger bezahlen, als zu einem Zeitpunkt an dem kein Flugzeug über der Waage fliegt.

Ist das nun war oder falsch? Ist es Blödsinn oder eine echte Lebenshilfe? Nun, es ist war und es ist Blödsinn!
Die Anziehung zwischen Fleisch und Flugzeug ist ein Fakt. Durch diesen Effekt scheint das Fleisch wirklich leichter. Aber wie stark ist dieser Effekt? Der Normalverbraucher kann das nicht beurteilen, und mag seinen Einkauf zukünftig mit den Flugplänen abstimmen. Wer aber in Physik gut aufgepasst hat, der kann die Anziehungskraft zwischen Flugzeug und z.B. 1kg Fleisch mit Hilfe des Newtonschen Gravitationsgesetzes ausrechnen. (F = g m M / r2). Für ein 200 Tonnen schweres Flugzeug in 10 km Höhe ergibt sich eine Anziehungskraft von 1.3344 x 10-13 N. dadurch erscheint das 1kg Fleisch auf der Waage um 1,36 x 10-11 Gramm leichter. Das ist ausgeschrieben 0,0000000000136 Gramm. Das wird sich kaum auf der Waage ablesen lassen.

Genau nach diesem Prinzip funktioniert die Audio-Esoterik. Ein real existierender Effekt, von dem man in der Schule schon mal was gehört hat, wird extrem überbewertet. Der Normalverbraucher kann das aber nicht erkennen, und glaubt an diesen Effekt und seine Wirkung.


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Mikrofonie

Behauptung:
Die vom Lautsprecher abgestrahlten Schallwellen führen zu Vibrationen an elektrischen Bauteilen der HiFi-Anlage. Die Bauteile wirken daraufhin wie Mikrofone und speisen das Signal in den Verstärker ein. Dadurch entstehen Signalverfälschungen.
Die Lösung sind z.B.:

Früher hatte Mikrofonie wirklich eine Bedeutung. Da gab es nämlich in jeder HiFi-Anlage ein Bauteil, das speziell dafür konstruiert war, mechanische Vibrationen in eine elektrisches Signal zu wandeln, und dieses Bauteil war auch noch an einen empfindlichen Verstärkereingang angeschlossen: der Tonabnehmer des Plattenspielers. Besonders bei Wohnungen mit Holzfußboden konnten Basstöne von den Lautsprechern durch den Fußboden bis zum Plattenspieler laufen, und dort die Wiedergabe stören.
Noch früher gab es Mikrofonie bei Radioröhren. Nicht bei den Endstufen, die es heute noch manchmal gibt, sondern bei Röhren in empfindlichen Vorverstärkern

Heutzutage verstaubt der Plattenspieler und röhrenbetriebene Vorverstärker gibt es schon lange nicht mehr. Aber natürlich entdecken listige Zubehörhersteller eifrig neue Mikrofonie-Quellen. Die einzig realen sind wohl Elektrolytkondensatoren. Werden sie Vibrationen ausgesetzt, dann "schwabbeln" in ihrem feuchten Innern die Lagen des Wickelpaketes, und dadurch schwankt die Kapazität ein wenig im Rhythmus der Vibration. Da sich die Ladung des ELKOS nicht ändert, ändert sich konsequenter Weise die Spannung zwischen seinen Polen. (U=Q/C) Der Effekt ist natürlich viel kleiner als beim alten Plattenspieler. Nachweisen lässt er sich z.B., indem man mit einem harten Werkzeug auf den Eingangs-ELKO eines empfindlichen Mikrofonvorverstärkers klopft.

Das ist natürlich kein reales Szenario. Im Bereich normaler Signalpegel ist der Mikrofonie-Effekt eines ELKOs kleiner als das Rauschen im System. Wer keinen Plattenspieler mehr verwendet, braucht sich um Mikrofonie keine Gedanken mehr zu machen.
 

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Kabel aus hochleitendem Kupfer

Was ist denn hochleitendes Kupfer? Außer den tollen als Warenzeichen eingetragenen Markennamen der Spezial-Kupfer erfährt man nicht viel. Es soll besonders rein sein. Sehen wir uns mal einige Leitwerte an. Tatsächlich leitet  reines Kupfer etwas besser als das Kupfer, das für Leitungen normalerweise verwendet wird. (Leitungskupfer enthält bestimmte Beimischungen, um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern.) Der Unterschied ist aber verschwindend gering. Ein Reinkupferkabel hat einen um 3% geringeren Widerstand als ein normales Kabel. Den gleichen Effekt hätte es, wenn man ein normales Kabel einfach 1,7% dicker macht, aber diese Werte liegen wohl ohnehin innerhalb der Fertigungstoleranzen..
 
Material
spezifischer Widerstand [Ohm x mm2 / m]
(so klein wie möglich)
spezifischer Leitwert [S x m / mm2 ]
(so groß wie möglich)
Aluminium
0,027
37
Gold
0,022
45,2
Leitungskupfer
0,0178
56,1
Kupfer
0,0172
58
Silber
0,016
62,5

Nun spielt der Kabelwiderstand allerhöchstens bei Lautsprecherkabeln eine Rolle, und auch dort wird er in seiner Bedeutung weit überschätzt.
 

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Laufzeitkorrektur zwischen Hoch- und Tieftonbereich

1. Behauptung:
Kabelhersteller behaupten, dass hohe Frequenzen schneller durch das Kabel laufen als niedrigere Frequenzen. Das muss wieder ausgeglichen werden, damit z.B. am Lautsprecher alle Signale gleichzeitig ankommen. Deshalb gibt es z.B. Lautsprecherkabel mit Laufzeitkorrektur.

Angenommen die Geschwindigkeit von Signalen im Kabel ist wirklich frequenzabhängig, und es stimme auch, dass höhere Frequenzen schneller sind. Die Geschwindigkeit eine elektrischen Signals im Kabel beträgt etwa 200000 km/s, das sind etwa 720 Millionen km/h. Ein 5 Meter langes Lautsprecherkabel durchläuft so ein elektrisches Signal in etwa 25 ns (0,000000025 Sekunden). Das sind 0,05% der Periode eines 20 kHz-Tones.

Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Frequenzen können nur marginal sein, aber selbst wenn tiefe Frequenzen nur halb so schnell wie hohe Frequenzen laufen würden, entstünde daraus ein Phasenversatz von nur 0,09°. Das wäre gar nichts, und in der Realität sind die Unterschiede noch weitaus kleiner.
Auf einer Audio-CD erfolgt die Aufzeichnung mit einer zeitlichen Auflösung von 22675 ns. Um Verschiebungen von wenigen Nanosekunden braucht man sich da offensichtlich keine Gedanken mehr zu machen.

Im Übrigen muss der Ton dann noch ein paar Meter durch die Luft zum Ohr "fliegen". In der Luft sind hohe Töne wirklich schneller. Da man aber keine "laufzeitkorrigierende Spezialluft" verkaufen kann, interessiert das offensichtlich niemanden.
 

2. Behauptung:
Für die Laufzeitkorrektur kann man den Skin-Effekt benutzen, da tiefe Frequenzen in der Drahtmitte und hohe Frequenzen auf der Drahtoberfläche laufen. Durch Strukturierung der Oberfläche (z.B. durch Umwickeln mit einem Kupferstreifen) macht man den Weg dort für die hohen Frequenzen etwas länger.
 
Wiederstandserhöhung durch den Skin-Effekt Den Skin-Effekt gibt es natürlich wirklich. Wechselströme (z.B. Musik im Kabel) erzeugen im Draht magnetische Felder, die die Elektronen aus der Drahtmitte heraus an die Oberfläche drücken. Dieser Effekt wächst mit der Frequenz.
Das bedeutet zunächst einmal, dass die tiefen Frequenzen sowohl im Inneren der Drahtes wie auch auf seiner Oberfläche laufen. Sie würden durch so einen Spezialdraht also schnell (im Kern) wie auch verzögert (entlang den Riffeln auf der Oberfläche) zum Ziel kommen. Sie würden "verschmiert" werden.
Und die hohen Frequenzen?

Die Eindringtiefe eines 10 kHz-Signals (10000 Hz) in Kupfer beträgt noch etwa 1 mm. Da die Kabel im Audiobereich aus dünnen Drähten bzw. Litzen bestehen, und die Frequenzen nur 20 kHz erreichen, tritt der Skin-Effekt hier praktisch nicht auf. (erst bei Leiterquerschnitten über 3 mm2.)

Die Grafik zeigt die Wirkung des Skineffektes (die sich als frequenzabhängige Widerstandsänderung bemerkbar macht) für verschiedene Drahtdicken. Der Effekt wirkt um so stärker, je dicker der Draht ist. Bei einem 1 mm dicken Draht beginnt der Skineffekt erst ab 20 kHz zu wirken. In dünneren Drähten wirkt der Skineffekt erst bei Frequenzen jenseits 100 kHz.

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eine persönliche Erfahrung

Beobachtung:
Nachdem ich zu meine Stereoanlage um einen Sourroundprozessor mit zusätzlichen Verstärkerkanälen sowie Center- und Rear-Lautsprechern erweitert hatte, konnte ich plötzlich die Sängerin bei Stereo-Liveaufnahmen viel präziser lokalisieren. Während ihre Stimme vorher von irgendwo aus der diffusen Bühnenmitte kam, war sie nun exakt in der Mitte "festgenagelt". Das funktionierte übrigens bei abgeschaltetem Sourroundprozessor.  Center- und Rear-Lautsprecher waren also ebenfalls aus.

Wie kann es sein, dass Geräte, die gar nicht in Betrieb sind, den Klang verändern, in diesem Fall die räumliche Ortung verbessern?
Als Ursache fand ich dann den Centerspeaker. Er stand mit abgenommener Verkleidung auf dem TV. Durch seine gelben Keflarmembranen war er nicht zu übersehen, auch nicht für mein Unterbewusstsein. Meine Ohren hören den Klang der Sängerinnenstimme und orten sie akustisch irgendwo in der Bühnenmitte. Meine Augen sehen dort einen Lautsprecher. Mein Hirn hat die Erfahrung gemacht, dass Laute oft von Lautsprechern kommen und korreliert den etwa mittigen Klang mit der mittigen Position des (ausgeschalteten) Lautsprechers. Es liefert die Information: der Klang kommt genau aus dieser Richtung. Ich bin mir dessen natürlich nicht bewusst, und staune darüber, dass die Sängerin exakt aus der Bühnenmitte singt.
Ein zu Besuch kommender Bekannter staunte ebenfalls über die gute Ortbarkeit (ohne dass ich ihn vorher darauf ansprach). Ich stellte einfach den ohnehin abgeschalteten Center-Lautsprecher weg, und schon war wieder alles beim alten (diffuseren).

Wenn einem das Unterbewusstsein solche Scherze spielt, ist jeder Hörtest 100% subjektiv. Aus diesem Grunde akzeptiere ich in der Audio-Welt nur noch Messwerte und Blindtests.
 

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Schlussfolgerung

Bei der Anschaffung guter HiFi-Komponenten geht es nicht immer (oder eigentlich niemals) rational zu. Eigentlich braucht man nicht unbedingt genau diesen besonderen Verstärker und jenen speziellen Lautsprecher. Bei sachlicher Betrachtung würden es auch deutlich preiswertere Komponenten tun. Das gilt aber auch für den Echtholzschrank im Wohnzimmer, das Werks-Navi im neuen Auto oder  für 80% der verkauften Handtaschen und Frauenschuhe. Letztendlich geht es doch vor allem um die Freude am Besitz eines tollen Stücks Technik und je länger die Prozedur der Auswahl war, umso befriedigender ist es letztendlich, Musik aud den neuen Komponenten zu genießen. Was spricht dagegen, sein Geld so auszugeben, dass man dabei auch Befriedigung empfindet, solange man dieses Geld wirklich dafür erübrigen kann?

Auch die Preise im Hig-End-Bereich sind betriebswirtschaftlich durchaus gerechtfertigt. Lautsprecherkabel für 200 Euro/m wird nur in geringen Mengen hergestellt. Die dafür angefertigten Maschinen müssen sich ja auch amortisieren. Wenn man dann schon 10.000 Euro in die HiFi-Komponenten und 5.000 Euro in die Lautsprecher investiert hat, dann sehen die Baumarktstrippen dazwischen nicht stilecht aus. High-End-Kabel werden aber den Klang nicht nennenswert verbessern, sondern dienen lediglich als adäquate Schmuckstücke.

Ich habe kein Problem damit, wenn jemand sich hochwertige HiFi-Handwerksarbeiten kauft, weil er das Geld dafür übrig hat. Eine tolle HiFi-Kette im Wohnzimmer ist genauso ein Schmuckstück wie eine Armbanduhr von Lange&Söhne. Der Klang der High-End-Kette entspricht aber nicht annähernd ihrem Preisniveau. Das gilt genauso für den Echtholzschrank (der Ikea-Schrank fasst genausoviele Bücher, ist aber pflegeleichter), das Werks-Navi im Auto (100-Euro Saugnapf-Navis haben oft modernere Software) und die neuen Schuhe der Ehefrau/Freundin (eigentlich waren die alten Schuhe viel bequemer).

Wirklich sauer werde ich nur dann, wenn jemand anfängt Geld für High-End-Auszugeben, der dieses Geld eigentlich für seine Familie benötigen würde. Das ist die negative Folge der falschen Werbeversprechen, die den angeblich besonderen Klang der Komponenten herausstellen, und nicht ihren Wert als männerkompatibles "Schmuckstück".

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Autor: sprut
erstellt: 05.09.2006
letzte Änderung: 05.09.2011